In unserem Alltag stehen wir in einem regen Austausch mit Unternehmen verschiedener Größen und Branchen. Neben den Unternehmen, die grundsätzlich positiv einer Zeiterfassung gegenüberstehen, gibt es auch durchaus einen beachtlichen Anteil an Unternehmen, die eine solche Lösung für Ihre Mitarbeiter komplett ablehnen. Diese Ablehnung lässt sich auf die verschiedensten Gründe zurückführen.
Ich möchte in diesem Blogartikel drei Gründe objektiv beleuchten.
1. Arbeitszeiterfassung und Vertrauensarbeitszeit zusammen geht nicht.
Laut einer Studie aus dem Jahr 2018 erfassen in Deutschland knapp 50 % der arbeitenden Menschen Ihre Zeit gar nicht oder haben eine Vertrauensarbeitszeit. Viele dieser Menschen führen als Grund auf, dass Sie Ihre Arbeitszeiten nicht tracken würden, da sich dies grundsätzlich nicht mit Vertrauensarbeitszeit kombinieren ließe. Der dahinterliegende Grund, so könnte man annehmen, sei es, dass Zeiterfassung eine Einschränkung der derzeitigen Freiheit bietet und daher nicht erstrebenswert sei.
Grundsätzlich ist diese Position nachvollziehbar. Die Einführung einer Zeiterfassung bedeutet erstmal einen gewissen Aufwand, der jedoch überschaubar ist, wenn man auf entsprechende Lösungen zurückgreift. Sieht man es jedoch aus einem anderen Blickwinkel, versteht man die damit gewonnene Transparenz. So lässt sich gerade bei Vertrauensarbeitszeit tendenziell feststellen, dass Menschen mehr arbeiten als sie müssten und regelmäßig Überstunden leisten. Jedoch ist dies laut einer aktuellen Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) eine große Belastung für deren Gesundheit. Eine Arbeitszeiterfassung ist in diesem Punkt ein gutes Kontrollinstrument, um diesem Problem vorzubeugen. Es ist auch möglich im Rahmen einer Vertrauensarbeitszeit die Vorzüge einer Arbeitszeiterfassung als Unternehmen zu genießen.
2. Arbeitszeiterfassung schafft Misstrauen
Ein weiteres, häufig gehörtes Argument im Alltag mit Personalern und Geschäftsführern ist, dass man den Leuten vertrauen und so etwas nicht brauchen würde. Es würde viel mehr Misstrauen schüren und damit das betriebliche Klima ins Negative drehen. Dies ist ein stichhaltiges und ernstzunehmendes Argument. Eine Arbeitszeiterfassung kann tatsächlich als reines Kontrollinstrument missbraucht werden. Anstatt auf eine positive Art und Weise, kann es wie jedes Werkzeug auch auf negative Art und Weise zweckentfremdet werden. Die Folgen wären in so einem Fall die befürchtete Verschlechterung des Betriebsklimas, sowie der Arbeitsatmosphäre. Bei einer deutlichen positiven Kommunikation der Führungskräfte, sowie klarer Regeln die einen Missbrauch vermeiden, ist dies jedoch ein Punkt der beherrschbar ist.
3. Gesetzlich bin ich nicht dazu verpflichtet eine Zeiterfassung einzuführen/zu betreiben.
Neulich habe ich mit einem unserer Bestandskunden telefoniert, dessen Aussage war: "Wir wehren uns, solange wir noch nicht gesetzlich dazu verpflichtet sind, eine Arbeitszeiterfassung in der Firma zu einzuführen".
Grundsätzlich spricht einiges für die Richtigkeit dieser Aussage.
Das bekannte Urteil vom EUGH aus dem Jahr 2019 dass
ist bis heute noch nicht in deutsches Recht überführt worden.
Folglich, so die Schlussfolgerung, gäbe es also auch noch keine Verpflichtung. Es gibt auf Basis der EUGH Entscheidung bereits erste Urteile des ArbG Emden, die eine solche Pflicht als durchaus gegeben ansehen (Siehe auch: 2 Ca 94/19 und 2 Ca 144/20). Jedoch gibt es seitens des LAG Niedersachsens eine Relativierung in einem Berufungsverfahren des ArbG Emdens, indem Zitat "Dem EUGH [...] die Kompetenz, zu Fragen der Arbeitsvergütung Stellung zu nehmen" abgesprochen wird.
Anders verhält es sich, wenn es um das Thema „Überstunden erfassen“ geht. Dies ist in § 16 ArbZG bereits seit 1994 geregelt und schreibt verpflichtend eine Erfassung dieser vor. Kürzlich gefällte Urteile (vgl. z.B. ArbG Emden – Az.: 2 Ca 144/20 – Urteil vom 24.09.2020) haben dies bestätigt.
Schlussendlich gibt es keine eindeutige Aussage, ob eine Pflicht zur Einrichtung einer objektiven Arbeitszeiterfassung besteht. Die Urteile des ArbG Emden zeigen jedoch, dass man als Unternehmen definitiv sicherer unterwegs ist, wenn man die objektive Messung der Arbeitszeit im Betrieb bereits gewährleisten kann. Beobachter gehen davon aus, dass es eine gesetzliche Regelung nach der Bundestagswahl geben wird. Jetzt zu handeln könnte einem als Personaler/Geschäftsführer durchaus unnötigen Stress ersparen.
Fazit
Dieser Artikel hat das Ziel drei Argumente gegen eine Zeiterfassung objektiv mit den vorhandenen Fakten zu vergleichen. Alle drei Punkte sind valide Argumente und können ein Grund sein, sich als Unternehmen gegen eine Zeiterfassung zu entscheiden.
Bei genauerem Hinschauen lassen sich jedoch alle drei Punkte relativieren oder sogar entkräften. So kann selbst bei einer Vertrauensarbeitszeit die Zeiterfassung einen positiven Beitrag für das Unternehmen bringen, nämlich die Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen. Des Weiteren muss es zudem auch keinen negativen Einfluss auf die Unternehmenskultur haben, wie von vielen befürchtet. Notwendig ist hier jedoch eine klare Kommunikation des Zwecks und klare Regeln, die einen Missbrauch vermeiden.
Stand heute sind Sie faktisch noch nicht dazu verpflichtet eine Erfassung für die komplette Arbeitszeit zu führen. Ausgenommen hiervon sind jedoch Stand heute bereits die Überstunden. Es ist jedoch absehbar, dass in den nächsten Monaten diesbezügliche Verpflichtungen auf die Unternehmen zukommen werden.
Letzten Endes ist eine Zeiterfassung ein Werkzeug, was für Gute, aber auch schlechte Zwecke genutzt werden kann. Für welche Zweck es bei Ihnen genutzt wird, entscheiden letzten Endes Sie selbst. Meine Empfehlung: Nutzen Sie es nur für gute Zwecke, es wird sich lohnen. Und wenn es nur dazu dient, die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter oder Kollegen zu schützen, indem Sie Überstunden stark begrenzen. Alleine dafür lohnt es sich schon und wird ein Vielfaches seiner Kosten wieder einspielen.